Sicher betäubt

„Wie hätten Sie es denn gern, mit ein wenig Lachgas oder doch lieber Kokain?“ Die Geschichte der Anästhesie ist reizvoll für Komödianten. Heute mutet das Kokain ebenso anachronistisch an wie die in vielen Western-Klassikern Hollywoods zu Filmruhm gelangte Whiskeyflasche, die gereicht wurde, wenn es ans Operieren ging. Die moderne Anästhesie ist vielmehr eine präzise Methode, um den Schmerz bei einem operativen Eingriff auszuschalten. Dennoch muss der Fachbereich gerade in der Zahnmedizin mit vielen Vorurteilen kämpfen. „In der Grauzone zwischen dem mulmigen Gefühl vieler Menschen vor einem Zahnarztbesuch oder einer ausgewiesenen Zahnbehandlungsangst schwingen häufig diverse Befürchtungen über die Spritze oder die Betäubung mit.



Historisches

Lachgas erstmals 1844: 1844 führte der amerikanische Zahnarzt Horace Wells die erste Zahnentfernung mit dem Einsatz von Lachgas durch. Kokain vom Zahnarzt 1884 benutzte der in New York tätige Zahnarzt Morgan J. Howe eine Kokainlösung zur Betäubung vor einer Zahnextraktion. John P. Carmichael wendete in Milwaukee (USA) Kokain zur gleichen Zeit bei der Spaltung von Abszessen oder beim Einpassen von Kronenringen an. Kokain wurde danach – oberflächlich angewendet – gerade von Zahnärzten häufig genutzt.


Hohe Sicherheit wissenschaftlich belegt

Dabei weist z.B. die zahnärztliche Lokalanästhesie heute eine sehr hohe therapeutische Sicherheit auf. Auf der Jahrestagung der in Deutschland maßgeblichen zahnmedizinischen Wissenschaftsgesellschaft „Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde ”(DGZMK) wurde 2003 eine Untersuchung über die Nebenwirkungen eines bestimmten Präparates veröffentlicht. Bei der Untersuchung von Nebenwirkungen des Lokalanästhetikums Ultracain wurden über einen Zeitraum von 25 Jahren (1975-2000) insgesamt 3.335 Nebenwirkungen nach 775 Millionen Injektionen gemeldet. Nur 357 davon wurden als schwerwiegend eingestuft. Wissenschaftlich belegt sind demnach 0,77 schwerwiegende Ereignisse bei einer Million Injektionen. Anästhesie am einzelnen Zahn Die Einzelzahnanästhesie ist seit Anfang des 20. Jahrhunderts bekannt und umfassend dokumentiert. Sie wird bisher weitgehend zur Komplettierung der Lokalanästhesie-Methoden angewendet.

Die Karpulenspritze - der gebräuchlichste Spritzentyp in der Zahnheilkunde

Oberkiefer bevorzugt Injektion wirkt oben schneller

Klassische Injektionsmethoden wirken nach ein bis zwei Minuten, da das Medikament leicht den Knochen durchdringt. Im Unterkiefer muss eine andere Technik angewendet werden. Der Einstich erfolgt individuell verschieden. Zudem weisen die Nerven im Unterkiefer größere anatomische Variationen auf. Das heißt: Die Betäubung kann hier mit einer Verzögerung von 5 bis 10 Minuten möglich sein.


Betäubung vermindert Was tun?

Trotz der hohen Sicherheit bei der Lokalanästhesie muss sich die Zahnmedizin einem besonderen Phänomen stellen – der manchmal mangelnden Wirkung der Anästhesie. Hinter dem Sachverhalt verbergen sich vielfältige Ursachen. Die Herausforderung für den Zahnarzt besteht darin, dass bei bis zu 20 Prozent der Patienten die Betäubung nur eingeschränkt wirkt – vor allem bei der Leitungsanästhesie im Unterkiefer. Doch was heißt eingeschränkte Wirkung? Zahnmediziner verstehen darunter sowohl einen verzögerten Wirkungseintritt von zwei Minuten als auch ein bis zu vier Stunden anhaltendes »taubes Gefühl«. Hinzu kommen in sehr seltenen Fällen Schädigungen der Nerven oder unbeabsichtigte Aufbissverletzungen. Zwar sind diese Probleme bei der so genannten Einzelzahnanästhesie, der intraligamentären Anästhesie, deutlich geringer. Doch diese in letzter Zeit häufiger verwendete Methode kann nicht bei krankhaften Zahnfleischtaschen oder chirurgischen Eingriffen eingesetzt werden. Die Gründe für eine nicht optimal erfolgte Betäubung sind vielfältig. Relativ selten sprechen Patienten auf das Lokalanästhetikum selbst nicht an. Vielmehr treten folgende Ursachen häufiger auf: An erster Stelle stehen fehlerhafte Injektionstechniken. Mal sind es auch Anomalien im Verlauf des Nervs. Diese nicht vorhersehbaren Probleme lassen sich durch nach anästhesieren in benachbarte Gebiete kompensieren. Es kommt auch vor, dass der Zahnarzt in ein entzündetes Gebiet injiziert. Hier neutralisiert der Körper, bedingt durch das saure Milieu jeder Entzündung, das Betäubungsmittel. Außerdem kann die individuell ausgeprägte Knochendichte eine Rolle spielen. Und manchmal sind es ganz einfach psychische Faktoren. Nicht zu vergessen: Der Biorhythmus des Körpers entscheidet bei machen Patienten mit, ob die Spritze richtig wirkt, denn der Körper reagiert je nach Tageszeit unterschiedlich schmerzempfindlich. Auch Genussmittel wie Kaffee haben Auswirkungen auf die Narkose.


Hilfe durch Kommunikation

Häufig kann dem Phänomen durch ein intensives Gespräch mit dem Zahnarzt der Garaus gemacht werden. Ein Beispiel: Besonders im Kopfbereich werden trotz der lokalen Betäubung durch die Knochenleitung Geräusche hörbar übertragen und Manipulationen über Muskel- und Gelenkrezeptoren spürbar, was oft als Schmerz falsch interpretiert wird. Es ist ein Lernprozess, dass es sich bei diesem Erleben nicht um Schmerz handelt.


Auch beim Zahnarzt gilt Die richtige Betäubung bringt‘s!

Für viele Menschen ist die Zahnbehandlungsangst untrennbar mit der Furcht vor eine Spritze oder der generellen Unsicherheit in Bezug auf eine Betäubung verknüpft. Diese Angst ist eigentlich unbegründet. Heute stehen den Patienten eine Reihe moderner und unterschiedlicher Verfahren zur Verfügung. Oberflächenanästhesie Die Oberflächenanästhesie – beispielsweise mit einem Spray – dient dazu, die Schleimhaut an der Oberfläche zu betäuben, um damit vor allem bei Kindern den Einstichschmerz der nachfolgenden Spritze zu reduzieren. Infiltrationsanästhesie Die Infiltrationsanästhesie soll den Schmerz in der Umgebung der Einstichstelle ausschalten. Die Anästhesielösung dringt in den Knochen ein und betäubt die Zähne. Dies funktioniert jedoch nur im Oberkiefer und im Frontzahnbereich des Unterkiefers. Leitungsanästhesie Soll der Seitenzahnbereich des Unterkiefers oder ein größerer Bereich betäubt werden, kommt die Leitungsanästhesie zum Einsatz. Hier wird das Anästhetikum in die Nähe des Nerven gespritzt, der den entsprechenden Kieferbereich versorgt. Mit beginnender Wirkung wird die Unterlippe und häufig auch die Zungenhälfte taub.


Intraligamentäre Anästhesie betäubt nur den betreffenden Zahn, die Wirkung setzt nach 10-20 Sekunden ein und hält ca. eine halbe Stunde vor.

Intraligamentäre Anästhesie

Bei der Intraligamentären Anästhesie wird mit Hilfe einer sehr dünnen Nadel und einer speziellen Spritze direkt zwischen dem Zahn und seinem Knochenfach eingespritzt. Dies kann nötig werden, wenn mit anderen Betäubungsarten keine völlige Schmerzfreiheit hergestellt werden kann. Analogsedierung Bei dieser Form der Anästhesie behält der Patient das Bewusstsein, spürt aber dennoch keinen Schmerz. Die Analogsedierung schaltet den Schmerz mit Hilfe einer Injektion in den Arm aus. Der Patient reagiert auf physische Reize und die Ansprache des Behandlers, obwohl er sich in einem schlafähnlichen Zustand befindet. Da die Analogsedierung den Schmerz nicht verhindert, sondern lediglich das Empfinden beeinflusst, bleibt eine örtliche Betäubung, die Lokalanästhesie, meist unvermeidlich. Eine in erster Linie entspannende Wirkung geht von den so genannten Mindmachines aus. Das sind elektronisch gesteuerte Programme, die mittels einer Leuchtdioden-Brille einen hypnoiden Zustand erzeugen. Vollnarkose Neben einer örtlich begrenzten Anästhesie verlangen einige Patienten heute eine Vollnarkose. Vor einer geplanten Narkose-Behandlung werden von einem Facharzt für Anästhesie die nötigen Voruntersuchungen durchgeführt.


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Hypnose beliebt bei Zahnbehandlungsangst

Immer beliebter wird gerade bei Patienten mit Zahnbehandlungsangst die Behandlung in Hypnose. Entsprechend der Definition der Deutschen Gesellschaft für Zahnärztliche Hypnose (DGZH) ist mit dieser Methode eine zumindest schmerzgeminderte Zahnbehandlung in fast allen Fällen möglich. Sie soll bei etwa 90 Prozent der Bevölkerung anwendbar sein. Da sie jedoch nur in Tiefentrance und lediglich bei etwa 10 Prozent der Patienten eine völlige Schmerzfreiheit herstellen kann, ist in den übrigen Fällen eine kombinierte Behandlung mit Beruhigungsmitteln angeraten. Bei Trance oder Hypnose handelt es sich um die geistige Beeinflussung eines seelischen oder körperlichen Zustandes. Vor der zahnärztlichen Behandlung in Hypnose finden in der Regel zwei bis drei Lehrhypnosen statt, in denen die Vertiefung in die Trance geübt wird.