Problemlösetrainings nehmen in unterschiedlichen Formen nicht nur in der Verhaltenstherapie eine immer größere Bedeutung ein. So wer-den Problemlöseverfahren als vielfältig anwendbare psychotherapeutische Verfahren in unterschiedlichen Praxisfeldern integriert (Nezu et al.1993), als Teile in kognitiven Therapien mit Kindern eingesetzt (Spence 1994; Stark et al. 1996) und zur Unterstützung bei der Expositionsbehandlung von Ängsten (Gelder 1997).
Prinzipiell unterscheiden sich Konzepte des Problemlösetrainings oder allgemein des Problemlösens in der Psychotherapie strukturell nicht von Problemlösungswegen in völlig anderen Bereichen (Technik, Wissenschaft etc.), so dass davon ausgegangen werden kann, dass ihre grundlegenden Modelle an sich allen potenziellen Problemlösern (also auch Patienten) bekannt sein dürften bzw. ihre Analogien von Patienten schnell erkannt werden können. Inzwischen gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Problemlösetrainings, die sich in ihrer Struktur in weiten Teilen ähneln, gleichgültig, ob sie fünf Teilschritte oder bis zu 19 vorschlagen (D'Zurilla u. Goldfried 1971: Kanfer et al.1996).
Problemlösetrainings sind grundsätzlich bei Personen indiziert, die über ein gewisses Maß an Eigenverantwortlichkeit und intellektuellen Möglichkeiten verfügen, wobei der Aufbau von Eigenverantwortlichkeit auch Ziel des Trainings sein kann. Wichtig ist bei Problemlösetrainings die prinzipielle Erreichbarkeit einer guten Kooperation mit dem Therapeuten, um Überforderungen zu vermeiden, die zu einem schnellen Abbruch führen könnten.
Beim Problemlösetraining haben sich die folgenden sieben Schritte als sinnvolle Einheiten herausgestellt. Es gilt aber unbedingt zu beachten, dass es sich um ein strukturiertes Vorgehen handelt, das als prinzipieller Rückkoppelungsprozess zu verstehen ist. Aus diesem Grunde können die einzelnen Schritte nicht immer linear aufeinander folgen: z. B. muss bei Problemen oder noch nicht (vollständig) er-reichten Zielen (auch innerhalb eines Schrittes) zu einem früheren Teilschritt zurückgekehrt werden. Ferner ist zu beachten, dass Problemlösetrainings als- interaktionistische Prozesse zwischen Patienten und Therapeuten anzusehen sind. Das heißt, dass alle Einschätzungen, Sichten,Wertungen, Inhalte usw. zwischen Therapeut und Patienten sofort abgeglichen und überprüft werden sollten, um einerseits Missverständnisse schnell aufheben, andererseits Probleme und Überforderungen erkennen zu können.
Bei dem Einsatz von Problemlösetrainings im Rahmen umfassender Therapiekonzepte müssen die Spezifika des Trainings in ihren Schritten und Modalitäten im Zusammenhang ihrer differenzierten Bedeutung bei der Erreichung einzelner Ziele erklärt werden. Dabei ist die Verwendung von Analogien aus dem Alltagsbereich hilfreich. Besonders wichtig sind Hinweise auf den Prozess- und Rückkoppelungscharakter des Trainings und die Möglichkeit von Rückfällen. Es empfiehlt sich, spezifische Einzelinformationen zu den einzelnen Schritten erst dann zu geben, wenn die jeweiligen Inhalte das erste Mal angesprochen und bearbeitet werden, da so ihre Bedeutung einsichtiger vermittelt werden kann. Bei dem Einsatz von Problemlösetrainings als alleinige (oder überwiegende) therapeutische Maßnahme muss darüber hinaus eine allgemeine Hinführung auf das Vorgehen geleistet werden. Dazu gehören:
Da die Struktur des Problemlösetrainings als Ziel vom Patienten gelernt werden muss, sollten alle Möglichkeiten genutzt werden, dies dem Patienten zu erleichtern. Der Therapeut kann dazu seine Anregungen und Fragen, die natürlich von dem unten zu beschreibenden Prozess geleitet sein sollen, dem Patienten transparent machen.
Vermittlung einer multimodalen Problemsicht: Probleme äußern sich (zumindest) innerhalb und zwischen den folgenden Modalitäten:
Zur Spezifizierung müssen ggf. Problembeschreibungen auf allen diesen Modalitäten (Zunahme/Abnahme; was, wann, wie, wo, wer? Frequenz, Intensität, Dauer, Gegensätze) erfolgen. Ferner sind die situativen Bezüge von Problemen zu erarbeiten. Für den Therapeuten gilt den Patienten an diese Modalitäten heranzuführen und durch Fragen anzuleiten. Der Patient hat die Hauptarbeit zu leisten. Schon bei diesem Schritt ist zu beachten, dass sich die Problembeschreibung im Laufe des Trainings verändern wird, da neue Einsichten die Wahrnehmungen des Patienten und seine subjektiven Erklärungsmodelle modifizieren.
Grundsätzlich ist zwischen Zielen und Teilzielen zu unterscheiden. Für Problemlösetrainings ist eine Differenzierung in überschaubare und zeitlich befristet erreichbare Teilziele unumgänglich. Prinzipiell müssen Teilziele so konkretisiert werden, dass der Patient von Therapie- zu Therapietermin die Möglichkeit hat, Fortschritte zu sehen. Allerdings sollten die Teilziele so ausgewählt werden, dass auch ein Nichterreichen subjektiv akzeptiert werden kann; hierauf muss der Patient gut vorbereitet werden. Bei einem multimodalen Problemlösetraining müssen entsprechend alle Modalitäten berücksichtigt werden, vor allem auch die interpersonalen Relationen: Welche Auswirkungen wird das Erreichen von Teilzielen auf den Patienten selbst und seine Sozialpartner haben? Der Therapeut muss bei diesem Schritt besonders auf zwei Aspekte achten. Der Therapeut sollte:
Ziel des Schrittes ist das Finden und Ausarbeiten von Lösungswegen, die spezifisch für die Bedingungen des Patienten zugeschnitten sind und umsetzbar erscheinen. Für das Finden von Lösungswegen können unterschiedliche Herangehensweisen überlegt werden. Grundsätzlich gilt, dass der Therapeut den Patienten als dessen eigenen Kotherapeuten sieht und ihm möglichst keine Vorschläge macht: Der Patient soll seine Lösungswege selbst suchen und finden. Besonders die folgenden Aspekte können hier hilfreich sein:
Eingrenzung des Lösungsraumes: In welchem Bereich ist nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen? Welche Hilfsmittel und Personen stehen zur Verfügung? Welche Bereiche potenzieller Lösungswege sind blockiert und stehen (derzeitig) nicht zur Verfügung?
Frühere Erfahrungen: Hat der Patient für ähnliche Situationen oder Probleme Lösungserfahrungen, die er nun verwenden könnte? Welche Hilfen und Annäherungen an Probleme sind ihm bekannt?
Aufnahme heterogener Informationen: Ermutige den Patienten, auch in den Bereichen nach Lösungen zu suchen, die für ihn bisher kaum in Frage kamen. Manchmal ist es hilfreich, den Patienten andere Rollen einnehmen zu lassen, um dann (spekulativ) aus neuen Blickrichtungen Lösungen suchen (und finden) zu lassen.
Setzen von Prioritäten: Was soll zuerst er-reicht werden? Welche Lösungsmöglichkeiten sollen zunächst ausprobiert werden? Welche Teilziele sind für den Patienten besonders wichtig bzw. könnten bei ihrem Erreichen weiter für die Therapie motivieren?
Negationen und Konstruktionen: In dem Fall, in dem kaum oder keine Lösungsmöglichkeiten gesehen werden, kann versucht werden, bestimmte Bereiche zu negieren oder auszuklammern, um auf konstruktivem Wege eben doch einen Lösungsansatz erreichen zu können (Was-wäre-wenn-Fragen). Manchmal sollten zum Repertoire auch zeitlich befristete Verbote gehören, um bisher ausgeübte negative Lösungswege auszuschließen.
Selbstverpflichtung des Patienten: Am Ende dieses Schrittes sollte der Patient sich selbst verpflichten, intensiv und zielstrebig die geplanten Lösungsschritte auszuprobieren bzw. ein Abkehren davon gut begründen.
Die einzelnen Lösungsmöglichkeiten müssen reflektiert und hinsichtlich ihrer Vor- und Nachteile analysiert werden. Die endgültige Auswahl des präferierten Lösungsweges muss der Patient mit ausreichender Überzeugung treffen können; sonst könnte ein Übergang zum nächsten Schritt vorschnell erfolgen.
Es hat sich als vorteilhaft erwiesen, die einzelnen Lösungsmöglichkeiten nach angemessenen Kriterien (Problem und Patient) zu ordnen und ggf. in einer Liste nebeneinander zu stellen. Dies erleichtert, vor allem bei Regelfixierungen (»das geht nicht«, »das habe ich alles schon ausprobiert«), oftmals doch noch eine erfolgreiche Suche nach Lösungswegen. Letztlich hat sich der Patient mit dem Korrektiv des Therapeuten für den Lösungsweg zu entscheiden, der für ihn am wahrscheinlichsten eine akzeptable Lösung verspricht.
Dieser Schritt, die eigentliche Umsetzung des Lösungsweges, führt in aller Regel zu einer Konfrontation mit der Realität, die je nach Größe der Teilschritte sogar bedrohlich erscheinen kann. Deswegen muss der Patient detailliert vorbereitet werden. Hierzu bieten sich Rollenspiele im therapeutischen Schonraum an, die zu einer notwendigen Ausgangssicherheit des Patienten führen können.
In Interaktion mit dem Therapeuten sind geeignete Situationen und Sozialpartner auszuwählen, so dass besonders am Anfang des Problemlösetrainings motivierende Erfolge mit ausreichender Wahrscheinlichkeit eintreten können.
Zusammen mit dem Therapeuten werden bei diesem Schritt anhand der Aufzeichnungen aus dem Schritt des Probehandelns in Abgleichung von Zielanalyse (Schritt 3) und Lösungs- und Veränderungsplanung (Schritt 4) Bewertungen des Erreichten kritisch vorgenommen.
Die Kernfrage dieses Schrittes läuft auf die Antwort hinaus, ob der eingeschlagene Lösungsweg weiterverfolgt oder verändert werden muss. Aber auch eine Reanalyse hinsichtlich Problembeschreibung und Problemanalyse sollte versucht werden: Eventuell ist ein erneuter Einstieg in einen Anfangsschritt notwendig. Der Umgang mit dem Lösungsversuch kann zu einer Neubewertung des Problems geführt haben. Dies gilt besonders für die eher »inneren« Modalitäten: Gefühle und Kognitionen.
Der Schritt der Bewertung ist von großer Bedeutung, wenn die erhofften Ziele nicht oder nicht in angemessener Zeit erreicht werden können. Hier muss der Therapeut vor allem sensibel dafür sein, warum ein Patient z. B. Lösungswege, die er sich vorgenommen hat, nicht durchgeführt hat. Diese Probleme bedingen in aller Regel einen erneuten Einstieg in die Problemanalyse (besonders wichtig ist die Bearbeitung motivationaler Fragen), aber auch in die Zielanalyse.
Bei einer positiven Bewertung des Lösungsversuches im vorangehenden Schritt kann nun für Ziele und Teilziele der Problembereiche überlegt werden, welche Lösungsschritte sich als erleichternde Wege angeboten haben, die es zu bewahren gilt, weil sie vermutlich bei später auftretenden Problemen einen guten Weg darstellen werden. Diese neuen und erfolgreichen Strategien sollten von dem Patienten gemeinsam mit dem Therapeuten modellhaft skizziert werden, um bei Bedarf ihren erneuten Einsatz schnell zu gewährleisten. Quasi handelt es sich hier um eine Sammlung erlernter und erfolgreicher Strategien und Regeln aus dem Problemlösetraining.
Neben spezifischen Regeln sollte immer die grundlegende Struktur des
Problemlösetrainings dazugehören: Diese zu einer selbstverständlichen
Strategie werden zu lassen, dürfte das eigentliche und oberste Ziel des
Problemlösetrainings sein.
Der Schritt der Transferplanung enthält auch das Beenden aus der
Therapie. Das Training sollte langsam und systematisch ausgeblendet
werden.
Problemlösetrainings sind grundsätzlich bei Personen (sowohl bei
Erwachsenen als auch bei Kindern und Jugendlichen) indiziert, die über
ein gewisses Maß an Eigenverantwortlichkeit und intellektuellen
Möglichkeiten verfügen, wobei der Aufbau von Eigenverantwortlichkeit
auch Ziel des Trainings sein kann. Wichtig ist bei Problemlösetrainings
die prinzipielle Erreichbarkeit einer guten Kooperation mit dem Thera-
Differenzierte Kriterien zu Kontraindikationen liegen nicht vor. Es sollte aber davor gewarnt werden, das Problemlösetraining zu früh ohne ausreichenden Beziehungsaufbau einzusetzen.
Auch sollte auf einen engeren Therapeuten-Patienten-Kontakt während der eigentlichen Lösungsumsetzungsphasen geachtet werden. Da es im Wesentlichen darum geht, eine Lösungsstrategie zu erarbeiten und diese in realen Alltagssituationen einzusetzen, muss darauf geachtet werden, dass eine intellektuelle Überforderung seitens der Patienten vermieden wird.
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt gibt es gute Anhaltspunkte für die hohe
Wirkung der Problemlösetrainings, da die Ergebnisse der
Problemlösungstherapien annähernd auf Problemlösetrainings übertragen
werden dürfen. Da zudem das grundlegende Paradigma des
Problemlösetrainings aus Prozessen der Erkenntnisgewinnung nicht
wegzudenken ist, dürfte sein Beitrag für die Bearbeitung von Problemen
einerseits eher allgemeiner Art sein. Andererseits kann nach den
vorliegenden Ergebnissen (Grawe et al. 1994; Webster-Stratton et al.
2001) den Problemlösetrainings eine gute Wirksamkeit bei einem breiten
Anwendungsspektrum bescheinigt werden. Problemlösetrainings haben für
die Erhöhung der Verantwortlichkeit und Aktivität des Patienten sowie
für die Rückfallprophylaxe bei späteren Problemen sicher einen
unschätzbaren Wert und sind aus dem Spektrum der kognitiv-behavioralen
Methoden nicht mehr wegzudenken. Vorteil ist auch, dass
Problemlösetrainings bei Teilschritten der eigentlichen Therapiephase
(Probehandeln) mit anderen effektiven kognitiven Methoden der
Verhaltenstherapie gut kombiniert werden können.