In den letzten Jahren hat die Hypnose im Bereich der Zahnmedizin vermehrt ihren Einzug gehalten. Wegen der gesteigerten Nachfrage der Patienten nach dieser alternativen Methode der Schmerzausschaltung gibt es auch immer mehr zahnärztliche Praxen, die die Hypnose in ihr Behandlungsspektrum aufnehmen. Die Angst oder der Respekt vor der Spritze veranlasst viele Patienten, dieses Verfahren zur Senkung des Bewusstseinszustandes in Betracht zu ziehen. Aber ebenso die Schonung des Körpers vor den durch die Spritze verabreichten analgetischen Substanzen bietet gerade bei Unverträglichkeiten, Schwangerschaften und besonders körperbewusst lebenden Menschen eine gute Möglichkeit zur schmerzfreien Behandlung.
Seit ihren Anfängen ca. 6.000 v.Chr. hat sich die Hypnose zu einem effektiven Zusatzverfahren in der Psycho- und Schmerztherapie entwickelt. Neben dem populären Gebrauch (z.B. in Bühnenshows), findet die Hypnose heutzutage wieder einen medizinischen Einsatz. Besteht das so wichtige Vertrauensverhältnis zwischen Hypnotiseur und zu Hypnotisierendem, so zeigen sich die Einleitung und die therapeutische Weiterentwicklung der Hypnose meist erfolgreich. Viele Krankheitsbilder können durch die verbale Suggestion während des tranceartigen Zustandes positiv beeinflusst werden. Insgesamt stehen für die zahnmedizinische Anwendung neben der bereits erwähnten "Spritze" natürlich Stress, die Angst vor dem zahnmedizinischen Geschehen im Allgemeinen und die existenten bzw. zu erwartenden Schmerzen als wichtigste Beweggründe für den Einsatz einer Hypnose an erster Stelle. Wichtig ist stets eine abgestimmte, intensive Diagnostik. Viele Berichte von Patienten und den behandelnden Ärzten spiegeln die Erfolge dieser alternativen Heilmethode in Bezug auf zahnmedizinische Probleme wider. Demzufolge stellt die Hypnose in Kombination mit der heutigen in Europa praktizierten Zahnmedizin einen möglichen, variablen und lohnenswerten Ansatz der Schmerztherapie dar.
Die Hypnose ist ein Verfahren zur Erzeugung eines gesenkten, hypnoiden Bewusstseinszustandes. Sie darf nicht als eine Form des Schlafes betrachtet werden, sondern ist im Gegenteil als eine besondere Form der Wachheit einzuordnen. Die Sensibilität der Sinnesorgane wird vermindert, wobei das Gehör davon ausgeschlossen bleibt. Des weiteren kommt es neben einer Einengung der Aufmerksamkeit zu einer Reduzierung des Realitätsbezuges, einer Hemmung komplexer Denkvorgänge und einer reversiblen, eigenen Willenlosigkeit über die bewusste Bewegungsfunktion des Körpers. Trotz allem kann der Wille des Hypnotisierten nicht ausgeschaltet werden. Somit kann der in Trance Versetzte auf keine Weise zu Handlungen gedrängt werden, die er im selbstbestimmten Normalzustand nicht auch auszuführen bereit wäre.
Eingeleitet wird die Hypnose durch beeinflussende Worte des Hypnotiseurs, verbunden mit der Fixierung der Augen des zu Hypnotisierenden auf ein bestimmtes Objekt. Grundvoraussetzung für ein erfolgreiches Gelingen der Hypnose ist eine positive und vertrauensvolle Bindung zwischen den beiden agierenden Personen. Das Vertrauen von Seiten des Hypnotisierten und die Hinwendung von Seiten des Hypnotiseurs muss immer präsent sein.
Die Hypnose mit ihren unterschiedlichen Techniken zählt mit zu den ältesten Heilverfahren. Graphische Überlieferungen aus dem alten Ägypten und Babylon belegen die Existenz von Hypnosesitzungen bereits im Jahr 6.000 v.Chr. Die ersten schriftlichen Berichte stammen in etwa aus der Zeit 4.000 v.Chr.
Immer wieder kam und kommt die Hypnose in den verschiedenen Kulturkreisen zum Einsatz. In Europa wandte der so genannte "Wunderheiler" F. A. Mesmer (1734 - 1815) eine in Trance versetzende Methode bei Kranken an, die er jedoch irrtümlicherweise als "magnetische" Fähigkeiten interpretierte. Sie ist heute unter dem Begriff des Mesmerismus bekannt. In Frankreich durchlebte die Hypnose im 19.Jahrhundert ihre Blütezeit. Auch Sigmund Freud (1856 - 1939) sowie seine Mitarbeiter bedienten sich vor der Entwicklung der Psychoanalyse verschiedener Hypnosetechniken. Im letzten Jahrhundert geriet die hypnoide Heilmethode durch populäre Nutzung in Bühnenaufführungen und dem in diesem Rahmen praktizierten Schabernack in Verruf. Erst nach und nach, auch durch die Entwicklung neuer Trancetechniken und Gesprächsführungen durch den Psychiater M. Erickson in den 70er Jahren, gewann die Hypnose ihren Platz vor allem in der schmerztherapeutischen Anwendung wieder zurück.
Ursprünglich fand die Hypnose als Zusatz in Kombination mit anderen psychotherapeutischen Verfahren Anwendung vor allem in der Psychotherapie. Dabei stellt der hypnotische Zustand selbst einen therapeutischen Aspekt als Erholung des Gehirns dar, sowie auch der so genannte leerhypnotische Zustand zu spezifischen therapeutischen Suggestionen genutzt werden kann. Auf diese Weise wird den Patienten zum Beispiel geholfen, Begebenheiten zu lokalisieren, Aversionen abzubauen, das Selbstbewusstsein zu stabilisieren oder auch eine Reihe von Problemen zu lösen. Als Beispiel seien hier neben komplexen psychosomatischen Erkrankungen Depressionen, Stress, Ängste, Abhängigkeiten, Essstörungen, Migräne, Kopfschmerzen, Allergien und Bronchialasthma erwähnt. Auch im Sinne der Vorbeugung werden Hypnosen eingesetzt.
Einen weiteren wichtigen, abgrenzbaren, eigenständigen Bereich bildet allerdings die Schmerztherapie, bei der die Hypnose besonders häufig Erfolge verbuchen kann. Im Rahmen der Operationsvorbereitung oder auch der ausschließlichen Schmerzreduktion bringen viele Ärzte und Zahnärzte in Praxen und Kliniken, sowie auch Heilpraktiker Hypnosetechniken zur Anwendung. Vorsicht sei geboten bei der immer noch existenten Scharlatanerie. Nicht nur für Showzwecke, sondern auch für z.B. angebliche Reinkarnationstherapien wird die Hypnose auch heutzutage immer noch missbraucht.
Die gewollt veränderte Bewusstseinslage während der Hypnose geht auch mit spezifischen körperlichen Veränderungen einher, welche während der Dauer der Hypnose auch klinisch nachweisbar sind. Gleich ob der Hypnotisierte im Alltag von der medizinischen Norm abweicht, so tendieren doch der Blutdruck, der Kreislauf, die Herzleistung, der Stoffwechsel und die Aktivität des vegetativen Nervensystems zu einem relativen, altersspezifischen Normal- bzw. Mittelwert. Im Gegensatz dazu weichen die Atem- sowie die Darmtätigkeit durch eine einsetzende Verlangsamung von der Norm ab.
Bei der Hypnose als eigenständiger Therapieform wird der Patient dazu veranlasst, Fähigkeiten zur Problemlösung zu mobilisieren und damit seinen Verhaltensspielraum zu erweitern. Im Trancezustand zeigt der Hypnotisierte eine besonders gesteigerte Bereitschaft und Aufnahmefähigkeit für Beeinflussungen. Nach der Einleitung der Hypnose wird von dem Patienten mit Hilfe des Hypnotiseurs eine Suchhaltung entwickelt, die zu einem inneren Dialog mit unbewussten Persönlichkeitsanteilen führt.
Bei der reinen Schmerzausschaltung ist dies nicht das angestrebte Ziel. Die Hypnose wird in eine andere Bahn gelenkt, die nur eine reine Empfindungslosigkeit in Bezug auf den vorhandenen oder zu erwartenden Schmerz bedingt. Bezogen auf die zeitliche Einschätzung empfindet der Hypnotisierte im Nachhinein die Dauer der Hypnose als sehr kurz.
Der eigentlichen Hypnose sollte immer eine ärztliche Diagnose vorangehen. Der Sinn und das Ziel der hypnoiden Behandlung müssen eindeutig und klar festgelegt sein. Demzufolge ergibt sich gleich zu Beginn, ob es sich um eine psychotherapeutische oder rein schmerztherapeutische Anwendung handelt.
Der Patient muss über den gesamten Ablauf der Hypnose aufgeklärt werden und sollte mit der Umgebung sowie natürlich besonders mit dem Hypnotiseur vertraut sein. Die Behandlung beginnt mit der bequemen Lagerung des Patienten und mit der Fixierung seines Blicks auf einen kleinen Gegenstand. Dazu können z.B. Augen, Pendel, aber auch Kerzen oder Bleistifte dienen. Durch die Stimme des Hypnotiseurs werden dem Patienten Ermüdung, Schwere, Gelöstheit und eine bewusste Ausatemphase suggeriert. Die Gedanken des Hypnotisierten verlieren sich langsam, und oft schließen sich seine Augen. Eine eintretende tiefe Entspannung ist möglich, jedoch ist ihr Auftreten für ein Gelingen der Hypnose nicht unbedingt ausschlaggebend. Der Einzelne reagiert stets verschieden auf die Hypnose. Manch einer schildert eher normale Empfindungen, in welchen er sich sehr entspannt und gelassen fühlt, hingegen andere eine sehr wohltuende Empfindung und Gesamterfahrung betonen.
Die behandelnde Person kann den hypnoiden Zustand weiter dirigieren. Durch ruhige Worte ist eine Einengung und Ausrichtung auf eine innere Ausgewogenheit, verstärktes Selbstvertrauen, mehr Gelassenheit, eine allgemein positive Richtung sowie auch eine Minderempfindung von Schmerzen möglich. Der einzelne spricht jedoch auf hypnoide Suggestionen unterschiedlich stark an. Oft regen symbolische Geschichten den Patienten an, sich bestimmte Situationen und Bilder vorzustellen und folglich bestimmte Gedanken zu entwickeln. Auch können über einfache prägnante Sätze bestimmte Reaktionen suggeriert werden, die der Patient lernt, aus seinem Unterbewusstsein im Alltagsleben einzusetzen. Somit können auch Krankheitsbilder, von denen viele sowohl funktioneller als auch psychogener Natur sind, therapiert werden.
Während der Aufwachphase sollte eine verbale Motivation seitens des Hypnotiseurs in Bezug auf das Wohlbefinden, das Wachheits- und Frischegefühl des Patienten erfolgen. Die Anzahl der Hypnosebehandlungen ist indikationsabhängig. Dient die Hypnose in der Zahnmedizin als Schmerztherapie oder als Operationsbegleitung, reichen meist ein bis zwei Anwendungen aus. Bei psychogenen Krankheitsbildern sind hingegen Hypnosesitzungen z.T. bis zu 20 mal in wöchentlichen Abständen notwendig.
Eine Komplikation ist darin zu sehen, dass Skepsis oder Verkrampfungen des Patienten eine Behandlung verhindern können. Geduld und weiteres Zutrauen zwischen Hypnotiseur und zu Hypnotisierendem helfen, dieses Problem mehr und mehr zu reduzieren. Des weiteren birgt eine Hypnose die Gefahr, dass während des hypnoiden Zustandes nicht ausschließlich die Themen abgehandelt werden, die während des vorausgehenden Gesprächs vereinbart wurden. Solch unseriöses Vorgehen von Seiten des Hypnotiseurs ist absolut intolerabel.
Ein Vorteil der Hypnoseanwendung in der Zahnheilkunde ist, dass sowohl für den Hypnotiseur als auch für den Hypnotisierten von Anfang an eindeutig der Sinn der Behandlung feststeht: Die Hypnose kommt zur Anwendung, um eine reine Schmerzausschaltung zu bewirken. Der Patient wird direkt vor der Behandlung in den hypnotischen Zustand versetzt. Er sollte sich entspannen, um ein Gelingen der Behandlung zu fördern.
Der Grund der Wahl des Patienten für eine alternative Schmerztherapie ist nicht selten die Angst vor Spritzen oder die Ablehnung des Anästhesiemittels allein, sondern die Panik vor dem zahnärztlichen Stuhl sowie der bildhaften und geruchsstimulierten Zahnmedizin im Allgemeinen. Demzufolge ist es entgegen der ersten Vermutung oft nicht so einfach, seitens des zu Hypnotisierenden sich in eine wirkliche Entspannung fallen zu lassen. Erst mehrere Gespräche, Geduld und ein erhöhter Zeitaufwand führen zu einer erfolgreichen Anwendung.
Es ist von ärztlicher und Patienten-Seite abzuwägen, wie viel Engagement nach missglückten Einleitungen in weitere Versuche einer erfolgreichen Hypnosetherapie eingebracht werden sollten. Eine wichtige Motivation für das Gelingen ist allerdings die Aussicht auf einen entspannteren, vertrauensvolleren und gegenüber zahnmedizinischen Maßnahmen selbstbewussteren Patienten nach der ersten schmerzregulierenden Behandlung durch Hypnose. Erfahrungen belegen, dass bei erfolgreicher Anwendung der Hypnose oftmals bei später folgenden zahnärztlichen Eingriffen, gar keine Schmerzausschaltung in Form von Anästhesien oder Hypnosen mehr notwendig ist.
Eine andere Variante der Hypnose sind fertige CDs, die den Angstpatienten vor und bei der Behandlung per Kopfhörer eingespielt werden. Nicht ganz so wirksam, aber eine preiswerte Variante. Denn dort kommen auf den Patienten keine zusätzlichen Kosten zu. Anders bei der direkten Hypnose. Hier gibt es keine festgelegten Sätze. Die Erstbehandlung kostet in der Regel zwischen 100 und 150 Euro.
Welche Bedeutung hat also die Hypnose für die Behandlung der Zahnarzt-Angst? Ein Standardwerk zum Thema Zahnbehandlungsphobie meint dazu:
"Bei einem Vergleich von jeweils acht Sitzungen Hypnotherapie mit kognitiver Verhaltenstherapie (Hammarstrand et al. 1995) erwies sich letztere als erfolgreicher. Das hervorstechende Ergebnis dieser Untersuchung war die hohe Drop-out-Rate von über 50 % in der Hypnotherapie-Gruppe im Vergleich zu den 27 % frühzeitig die Behandlung beendenden Patienten in der kognitiven Verhaltenstherapie-Gruppe. Ein ähnliches Ergebnis zeigte sich in einer weiteren Untersuchung von Kurzbehandlungen (Wannemüller et al., eingereicht). Verglichen wurden zwei Sitzungen kognitiver Verhaltenstherapie mit der einer standardisierten Hypnose-CD, einer individualisierten Hypnose-Behandlung und Narkose. In der Gruppe mit der standardisierten Hypnose-CD blieben 60 % der Patienten der Behandlung fern (der größte Teil von ihnen, nachdem sie über eine zusätzliche Gebühr informiert worden waren). Die verbliebenen Patienten dieser Gruppe zeigten, ähnlich wie die Narkose-Gruppe, einen geringfügigeren Behandlungserfolg als die kognitive Verhaltenstherapie-Gruppe. Die individualisierte Hypnose-Gruppe unterschied sich in ihrem Erfolg nicht von der Verhaltenstherapie, doch zeigte auch diese Hypnose-Gruppe eine 56%ige Drop-out-Rate, während bei der kognitiven Verhaltenstherapie nur 30 % frühzeitig der Behandlung fernblieben. Bei der Hypnose-Behandlung sollten sich die Patienten ohne vorherige Behandlung ihrer Angst in den Zahnbehandlungsraum bzw. den Zahnbehandlungsstuhl begeben - einer Behandlungsanordnung, die einer Reizüberflutung gleichkommt - während die Verhaltenstherapie-Gruppe in einer Psychotherapie-Ambulanz behandelt wurde. Auch waren Patienten der Hypnose-Gruppe stärker beunruhigt, sollten sie bei der nächsten Zahnbehandlung auf ihr jeweiliges Therapieverfahren verzichten müssen, und waren somit von der Behandlung abhängiger. Im Gegensatz dazu ist das Ziel der kognitiven Verhaltenstherapie, die Patienten langfristig in die Lage zu versetzen, ihre Angst selbstständig unter Kontrolle zu bringen."
Zitat aus: Zahnbehandlungsangst erkennen und behandeln: Diagnostik, Therapie, Praxismanagement; Hans-Werner Hoefert (Autor), Hans-Peter Jöhren (Autor), 365 Seiten, Verlag Spitta (30. Juli 2010), ISBN-10: 3941964313, ISBN-13: 978-3941964310, Seite 200
Hammarstrand, G., Breggren, U., Hakeberg, M. (1995): Psychophysiological therapy vs. hypnotherapy in the treatment of patients with dental phobia. European Journal of Oral Sciences, 103, 399-404
Sartory, G., Wannemüller, A. (in Druck): Zahnbehandlungsphobie. Göttingen: Hogrefe