Hypnose statt Narkose?

In den letzten Monaten häufen sich Medienberichte über chirurgische Eingriffe, die angeblich nur in Hypnose stattfinden. Werden die konventionellen Narkoseärzte bald überflüssig oder ist das alles nur Humbug? Leider beweisen die zahlreichen Berichte nicht den Sinn der Hypnonarkose, sondern etwas ganz anderes:

Auch in seriösen Medien werden Dinge zuweilen aufgebauscht. Für eine gutklingende Story sieht man offenbar schon mal über entscheidende Tatsachen hinweg. In Wirklichkeit finden Eingriffe in Hypnose häufig unter zusätzlicher Anästhesie statt.

Kritisch betrachtet muss man also festhalten: Nirgends wird nur in Hypnose operiert,  in der Regel werden die Eingriffe immer in zusätzlicher Lokalanästhesie durchgeführt. Das erfährt aber nur, wer die einschlägigen Berichte und Studien sehr genau durchliest. Die Hypnose ersetzt somit nicht die Narkose, sondern nur die bei Eingriffen in Lokalanästhesie meist übliche zusätzliche Sedierung durch ein Benzodiazepin (z. B. Valium®). Hypnose statt Valium® müsste es also richtiger heißen.


Begriffsverwirrung mit System

Das Argument, dass es ja schließlich egal ist, ob der Patient durch die Hypnose oder durch ein Narkosemittel in einen Schlafzustand versetzt wird, ist zudem falsch. Es beruht auf einer – wohl mutwilligen – Verwechslung von Begriffen. In den Anfängen der Anästhesie standen tatsächlich nur Narkosemittel bereit, die einen schlafähnlichen Zustand auslösen konnten. Damals wäre die begriffliche Gleichsetzung von Hypnose und Narkose wohl noch erlaubt gewesen, denn beides stand für einen schlafähnlichen Zustand. Heute versteht man aber unter Narkose etwas ganz anderes. Durch die Einführung von hochwirksamen Opiaten und Medikamenten zur Muskelrelaxierung wurde der Narkosebegriff auf drei wesentliche Eigenschaften erweitert:

  • kompletter Bewusstseinsverlust (Hypnose: schlafähnlicher Zustand durch Narkosegas)
  • komplette Schmerzausschaltung (Analgesie durch ein Opiat),
  • komplette Muskelentspannung (Relaxation durch Kuraremittel).

Tatsache ist aber, dass die Hypnose nur den Schlafanteil der Narkose ersetzen kann, und das wahrscheinlich auch nur sehr oberflächlich. Eine suffiziente Analgesie kombiniert mit einer kompletten Muskelrelaxierung, wie man sie etwa bei größeren Eingriffen benötigt, leistet die Hypnose nicht. Somit bleibt die Hypnose, wie das Beispiel Lüttich zeigt, eben eine Sedierungstechnik.

Nützlich, um bei kleinen Eingriffen in Lokalanästhesie die Patienten zu beruhigen. Mehr aber auch nicht.


Reibach mit Hypnose

Ob Angsthasen beim Zahnarzt statt einer preiswerten Beruhigungstablette, die die Kasse zahlt, lieber zusätzlich etwa 50-150 Euro für eine Hypnose ausgeben wollen, muss man ihnen natürlich selbst überlassen. Sowohl private als auch gesetzliche Kassen kommen für Hypnosetherapien nämlich nicht auf.

Allerdings haben Berichte in den Medien durchaus ihre Wirkung. Immerhin wäre fast jeder zehnte Deutsche mittlerweile bereit, sich „statt in Narkose in Hypnose“ operieren zu lassen. Tut sich da nicht gerade ein Markt für dubiose Zusatzleistungen von Zahnärzten und Schönheitschirurgen auf? Solange die Medien weiter nur oberflächlich über das Thema berichten, steht dem zumindest nichts im Wege.


Narkosesensation aus China Mit Nadeln unters Messer

Durch oberflächliche Informationen und eine überzogene PR kann man übrigens auch eine sinnvolle Methode schnell in Misskredit bringen. In den 1970er-Jahren kam aus China eine vergleichbare Narkosesensation. Dort hatten Chirurgen angeblich die Patienten nur unter Akupunktur operiert. Sogar Blindarmoperationen ohne Narkose wurden der staunenden Öffentlichkeit präsentiert. Später stellte sich heraus, dass die Patienten während der Eingriffe heimlich Opiate bekommen hatten. Von diesem Imageschaden hat sich die Akupunktur bis heute noch nicht erholt. Der Hypnose könnte Ähnliches blühen, wenn ihre Interessenverbände nicht bald die irreführenden Berichte relativieren, die jetzt durch die Medien geistern.

Quelle: MMW Münchner Medizinische Wochenschrift