Quecksilbervergiftung

Eine Quecksilbervergiftung ist eine Schädigung durch das Schwermetall Quecksilber. Quecksilber ist ein giftiges Schwermetall. Metallisches Quecksilber, das schon bei Raumtemperatur und normalen Druckverhältnissen flüssig ist, ist in diesem Aggregatzustand noch relativ ungefährlich. Es verdunstet jedoch bereits bei Raumtemperatur und bildet giftige Dämpfe. Besonders toxisch sind organische Verbindungen des Quecksilbers, zum Beispiel Methylquecksilber. Mit Quecksilber in Kontakt kommen kann man z. B. durch Quecksilberthermometer, die beim Zerbrechen Quecksilber freisetzen. Moderne Ausdehnungsthermometer sind meist mit ungefährlichen Flüssigkeiten wie zum Beispiel Ethanol befüllt. Die Quecksilbervergiftung wird oft durch die direkte Aufnahme der Dämpfe des Quecksilbers hervorgerufen. Man spricht dabei von einer akuten Quecksilbervergiftung. Das Quecksilber blockiert im Organismus ein Enzym, das für die Reizübertragung nötig ist. Auch chronische Quecksilbervergiftungen sind möglich, wenn man über längere Zeit geringen Mengen ausgesetzt ist.


Akute Quecksilbervergiftung

Die ersten Symptome einer akuten Quecksilbervergiftung sind

  • Kopfschmerzen
  • Übelkeit
  • Schwindel
  • trockener Mund-Rachenraum

Es sollte sofort ein Arzt aufgesucht oder eine Giftnotrufstelle kontaktiert werden, da die Schäden meist irreparabel sind, wenn nicht sofort Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Als tödlich wird eine Menge von 150–300 mg angesehen. Langzeitschäden sind oft Nieren- und Leberschäden. Bei einem zerbrochenen Quecksilberthermometer dürften die austretenden Dämpfe zu gering sein, um akute oder chronische Quecksilbervergiftungserscheinungen zu verursachen.


Chronische Quecksilbervergiftung

Wesentlich häufiger sind chronische Quecksilbervergiftungen durch geringe Dosen Quecksilber, das über die Nahrung aufgenommen wird (Minamata-Krankheit). Wird Quecksilber in einem geschlossenen Raum verschüttet, so kann es versickern und noch lange giftige Dämpfe bilden. Das in der Zahnmedizin verwendete Amalgam wird als weitere Ursache chronischer Quecksilbervergiftungen kontrovers diskutiert: Einige Wissenschaftler weisen auf seine Anfälligkeit gegenüber Verarbeitungsfehlern hin, andere stufen es als unbedenklich ein. Im 18. Jahrhundert traten chronische Quecksilbervergiftungen bei einigen Berufsgruppen auf, die häufigen Umgang mit Quecksilber- und Quecksilbersalzen hatten (→ „Hutmachersyndrom“). Zu dieser Zeit wurden noch viele und oft angewendete Arzneimittel hergestellt, heute gibt es nur noch wenige und ausschließlich zur äußeren Anwendung.

Ursachen für die chronische Quecksilbervergiftung

  • Aufnahme von Hg am Arbeitsplatz
  • Aufnahme von Hg über die Nahrung
  • Aufnahme von Hg über Zahnmetall
  • Aufnahme von Hg durch Unfälle (alte Fieberthermometer mit Hg)
  • Aufnahme von Hg durch zerbrochene Leuchtstofflampen (Hg-Dampf, 1-5 mg)

Fundstellen von Quecksilber im menschlichen Körper

  • Gebiss (Zähne, Wurzeln, Kieferknochen)
  • Rückenmark
  • Gehirn
  • Nervenbahnen
  • Blut
  • Urin und Stuhl
  • Muttermilch

Bei Schwangeren geht das Gift direkt auf den Fötus über: In Minamata kamen viele Säuglinge mit Behinderungen auf die Welt, nachdem ihre Mütter mit Methylquecksilber belasteten Fisch verzehrt hatte.


Quecksilbervergiftung durch Amalgam?

In den Zähnen der Deutschen liegen nach Angaben des Instituts für Umweltmedizin und Krankenhaushygiene der Universität Freiburg etwa 200-299 Millionen Amalgamfüllungen. In der EU werden jährlich etwa 70 Tonnen Quecksilber für neue Amalgam-Füllungen verbraucht. Amalgam besteht zur Hälfte aus Quecksilber, einem Stoff, der laut Gefahrstoffverordnung als sehr giftig eingestuft wird. Nur ein Gramm Quecksilber kann 1 Mio. Liter Wasser vergiften, Quecksilber in den Abwässern stammt zu 80% aus Zahnarztpraxen, obwohl alle Zahnarztpraxen seit 1990 Amalgamabscheider einsetzen.

Das metallische Quecksilber einer Amalgamfüllung wird durch Bakterien in hochgiftiges Methylquecksilber umgewandelt. Methylquecksilber wird von Speisefischen, z. B. Thunfisch, aufgenommen. Sobald das Quecksilber in den Körper gelangt, ist es besonders für Kinder sehr gefährlich. in den Sechzigerjahren traten in Japan, Minamata, schwerwiegende Fälle von Quecksilbervergiftung auf. Kinder waren am stärksten betroffen, viele wurden verkrüppelt, taub, blind oder gelähmt geboren.

Große Mengen Quecksilber werden aus Amalgam in die Luft freigesetzt, wenn Amalgamfüllungen in Krematorien verbrannt werden. Norwegen hat Anfang 2008 ein völliges Verbot von Amalgam durchgesetzt.


Amalgam und chronische Müdigkeit Depression, Angst und Suizidneigung

Das Ergebnis einer Studie, die den Zusammenhang zwischen chronischer Queksilberexposition durch Amalgamfüllungen und Krankheitsbildern wie untersuchte:

  • chronisches Müdigkeitssyndrom
  • Fibromyalgie
  • Depression
  • Angstzuständen
  • Selbstmordgedanken

Quecksilberdämpfe aus Amalgamfüllungen gelangen in den Körper

Amalgam ist ein sehr häufig verbreitetes Füllungsmaterial, dass ca. zu 50% aus reinem Quecksilber besteht und im Munde beständig Quecksilberdämpfe abgibt, die vom Körper aufgenommen werden. Zahlreiche Studien haben belegt, dass eine regelmäßige Quecksilberaufnahme - egal ob aus Amalgamfüllungen oder Nahrungsmitteln - mit zahlreichen, teilweise schweren chronischen Gesundheitsproblemen einhergeht, typischerweise mit Müdigkeit, Ängsten und Depressionen. Dieser Symptomenkomplex ist bei Fibromyalgie und dem chronischen Müdigkeitssyndrom typisch, wenn auch wenig spezifisch. Obwohl die Sicherheit von Amalgam-Füllungen immer wieder Streitthema ist, gibt es doch sehr deutliche Hinweise, dass Amalgam zu den oben genannten Krankheitsbildern zumindest beiträgt. In Anbetracht der extrem hohen Giftigkeit von Quecksilber und zahlreicher Studien, die eine Besserung bzw. Heilung nach Amalgamentfernung nahe legen, sollte bei den oben genannten Krankheitsbildern an eine chronische Quecksilbervergiftung gedacht werden.

Quelle:

Neuro Endocrinol Lett. 2014 Dec;35(7):537-52. Evidence supporting a link between dental amalgams and chronic illness, fatigue, depression, anxiety, and suicide.

Therapie der Quecksilbervergiftung

Eine Quecksilbervergiftung wird therapiert, indem das inkorporierte Quecksilber möglichst rasch und vollständig aus dem Körper entfernt wird. Dieser Vorgang wird auch „Quecksilber-Ausleitung“ genannt. Zum Einsatz kommen sogenannte Komplexbildner, Substanzen, die einen Metallkomplex mit dem Quecksilber als Zentralatom eingehen. Solche Komplexe können von der Niere erheblich leichter aus dem Blut filtriert werden, was zu einer Hg-Entgiftung des Körpers führt. Die beiden Antidote („Gegengifte“), die hierfür eingesetzt werden, sind die (manchmal bei zerebralem Befall eingesetzte) Dimercaptobernsteinsäure (DMSA) und vor allem die besser wasserlösliche Dimercaptopropansulfonsäure (DMPS). Diese beiden Substanzen besitzen zwei benachbarte Sulfhydryl-Gruppen (-SH), die mit dem Quecksilberatom stabile Chelatkomplexe (griech. Χηλή „chele“ für „Krebsschere“) bilden, indem sie wie die Greifer einer Krebsschere das Hg-Atom zwischen sich binden. Der Gebrauch von Mineralstoffen zur Quecksilberausleitung ist medizinisch nicht etabliert. Für die Anwendung von Zink als Antidot der Quecksilber-Entgiftung existiert kein eindeutiger Nachweis eines medizinischen Vorteils. Selen hat zwar ein gewisses antioxidatives Potenzial gegen den oxidativen Stress, der durch die Quecksilber-Intoxikation ausgelöst wird. Es vermindert jedoch (zugeführt als Na-Selenit im Tierversuch) die Effektivität der Antidote DMSA und DMPS und zeigt keinen medizinischen Nutzen beim Einsatz gegen eine Hg-Intoxikation. Ein weiteres wirksames Antidot bei Methylquecksilber-Quecksilbervergiftungen ist Acetylcystein (NAC). Im Gegensatz zu DMPS und DMSA entgiftet NAC selektiv Methylquecksilber über Urinausscheidung und weniger das anorganische Quecksilber. Der Vorteil des NAC gegenüber DMPS und DMSA liegt darin, dass der Mineralienhaushalt nicht dadurch beeinträchtigt wird.

 


Weiterführende Literatur

Röttgers, H. R. (20000331): Psychisch Kranke in der Umweltmedizin. In: Deutsches Ärzteblatt, Jg. 97, H. 13, S. A-835.
Viele Patienten klagen über Störungen, die sie schädlichen Umwelteinflüssen zuschreiben, ohne dass auch bei sorgfältiger Untersuchung eine Belastung durch Noxen oder Allergene nachweisbar wäre. Die Beschwerden und psychischen Befunde dieser Patienten entsprechen häufig denen hypochondrischer und konversionsneurotischer Erkrankungen; zuweilen handelt es sich um Psychosen. Diese Patienten mangels objektivierbarer Befunde zurückzuweisen, liefert sie paramedizinischen Hilfsangeboten aus oder führt zu einem Rückzug in Betroffenensubkulturen. Ebenso wenig wird eine unkritische Übernahme der subjektiven Überzeugungen durch den behandelnden Arzt der psychischen Erkrankung gerecht, denn sie verhindert eine angemessene psychiatrische Behandlung der unter oftmals hohem Leidensdruck stehenden Patienten.
       
Staehle, H. J. (20001208): Unverträglichkeit gegenüber Dentalmaterialien. Bei Verdacht ist interdisziplinäre Abstimmung erforderlich. In: Deutsches Ärzteblatt, Jg. 97, H. 49, S. A-3344.
Besteht der Verdacht auf Unverträglichkeiten gegenüber Dentalmaterialien, empfiehlt sich eine interdisziplinäre Abklärung, die unter anderem zahnärztliche, psychosomatische, allergologische und toxikologische Aspekte einbezieht. Zurückhaltung ist bei der Anwendung umstrittener Testmethoden aus dem Bereich der Komplementärmedizin geboten. Auf einer solchen Grundlage werden gelegentlich intakte zahnärztliche Restaurationen ausgetauscht, Zähne extrahiert oder gar Kieferknochen zur vermeintlichen Entgiftung ausgefräst. Dies kann erhebliche Gebissdestruktionen zur Folge haben. Aus Gründen des Patientenschutzes sollten die negativen Folgen solch invasiver Methoden bei der Aufklärung und Beratung Betroffener größere Beachtung als bisher finden.