Etwas Angst vorm Zahnarzt ist ja ganz normal. Aber Millionen Menschen haben so sehr Angst vor dem Zahnarzt, dass Sie den Zahnarztbesuch vollständig vermeiden oder nur bei schlimmen Zahnschmerzen zum Zahnarzt gehen - es entwickelt sich eine Zahnarztphobie (auch Dentophobie oder Odontophobie genannt), die aber fast immer psychotherapeutisch geheilt werden kann. Eine kurze - ca. 5-10 stündige Kurzzeittherapie ist bei 80 % der Angstpatienten erfolgreich.
Die neue wissenschaftliche S3-Leitlinie 2019/2020 empfiehlt ausdrücklich Verhaltenstherapie als erfolgreichste Behandlung bei Zahnbehandlungsangst:
S3-Leitlinie (Langversion) Zahnbehandlungsangst bem Erwachsenen
In Kombination mit einer Vollnarkose erlangen fast alle Angstpatienten ihr Lächeln zurück. Auch für gesetzlich Versicherte ist Verhaltenstherapie immer kostenfrei, ebenso wie die Vollnarkose für zahnchirurgische Maßnahmen. Die Kosten für die Füllungen, Kronen, Brücken, Implantate und Prothetik können ohne Zahnzusatzversicherung aber recht hoch sein (Quelle Stiftung Warentest 2018):
Angst vor dem Zahnarzt kann auch körperlich krank machen: Neben Zahnausfall drohen Diabetes, Herzkreislauferkrankungen, Schlaganfall, chronische Entzündungen und bei Schwangeren sogar Frühgeburten. Ursache ist der Entzündungsreiz durch viele kaputte Zähne und sehr häufig eine Zahnfleischentzündung - die Parodontitis.
Grob vereinfacht gelangen über den Blutkreislauf Mundbakterien und Entzündungsprozess in den gesamten Körper. Die körpereigene Immunantwort führt dann zu Gewebsveränderungen an fast allen Organen. Bestimmte Entzündungsparameter können im Blut des Patienten nachgewiesen und genau gemessen werden. Besonders beim Diabetes ist dieser Zusammenhang inzwischen recht gut erforscht. Gerade bei Angstpatienten mit Diabetes kann eine Zahnsanierung segensreich sein. Nicht selten muss nach erfolgreicher Parondontalbehandlung die Insulinmenge reduziert werden. In einigen Fällen kann auf die Insulingabe sogar vollständig verzichtet werden.
Wenn man bedenkt, dass durch simple Zahnreinigungsmassnahmen schwere chronische Erkrankungen günstig beeinflusst werden können, wird die Bedeutung einer Parodontalbehandlung deutlich. Im Gegensatz zu den üblichen Empfehlungen des Hausarztes, wie Gewichstsabnahme, kein Alkohol, kein Rauchen, regelmäßig Sport und gesunde Ernährung ist bei der Parodontalbehandlung nur eine sehr geringe Eigeninitiative des Patienten notwendig. Im Grunde kann der Patient ganz passiv Zahnprophylaxe und Paro-Behandlung bei sich durchführen lassen und hat einen ähnlichen gesundheitsfördernden Effekt. Sogar potentiell tödliche Ereignisse wie Herzinfarkt und Schlaganfall werden unwahrscheinlicher. Als Allgemeinarzt und Zahnarzt bin ich der Meinung, dass die regelmäßige Parodontalbehandlung vermutlich eine der effektivsten Maßnahmen sein kann. Der Grund warum das wenig bekannt ist, liegt in der fachübergreifenden oder interdisziplinären Vorgehensweise. Immer noch sind die Studiengänge Medizin und Zahnmedizin fachlich getrennt. Man kann leider weder vom Zahnarzt allgemeinmedizinisches Verständnis erwarten, noch vom Arzt allzuviel zahnmedizinisches Fachwissen voraussetzen.
Psychotherapie ist die erfolgreichste und nebenwirkungsärmste Behandlung der Zahnarztangst und kann sinnvoll mit Vollnarkosebehandlungen ergänzt werden. Leider gibt es in Deutschland nur sehr wenige Zahnärzte, die gleichzeitig auch psychotherapeutisch tätig sind und über die Kassenzulassung für verfügen. Der Angstpatient ist hier in professionellen Händen. Das Erstgespräch findet nicht auf dem Zahnarztstuhl statt. Zum Glück gibt es einige Zahnärzte bundesweit, die sich freiwillig fortbilden, um Angstpatienten zu behandeln. Die Krankenkassen - egal ob gesetzlich oder privat - zahlen hierfür nicht, da Zahnärzte berufsrechtlich auf die Mundhöhle beschränkt sind.
Die AUBACKE®-Therapie ist kurz - anders als bei den meisten anderen Phobien, ist bei Zahnbehandlungsphobie der Zeitfaktor wesentlich. Eine Mehrzahl der Patienten bedarf dringend der Zahnbehandlung und begibt sich nur deshalb in Behandlung, weil der Zahnschmerz unerträglich und damit der Besuch beim Zahnarzt unerlässlich wurde. Aus diesem Grund müssen Diagnostik und verhaltenstherapeutische Intervention wohl gründlich aber gleichzeitig möglichst rasch durchgeführt werden.
Psychotherapie und Vollnarkose ergänzen einander. Ein Vergleich der Behandlungsmethoden ist hier auf Youtube in einem Video von SAT1 Planetopia zu sehen.
Speziell für die Behandlung von Zahnarztangst ist AUBACKE® - eine Kurzzeittherapie mit Langzeitwirkung - entwickelt worden. In sieben Schritten - in Kombination mit Vollnarkose - verlernt der Betroffene seine Angst vor Zahnbehandlung wieder. Dabei steht jeder Buchstabe des Akronyms AUBACKE® für einen der sieben Behandlungsschritte der AUBACKE®-Therapie - "In sieben Schritten mundgesund".
Die Vollnarkose ist besonders segensreich bei zahnchirurgischen Eingriffen: Zahnentfernungen (Extraktionen), Zystenentfernungen, Wurzelspitzenresektionen und Implantationen. Abgesehen von Implantaten bezahlen die gesetzlichen Krankenkassen in der Regel die Vollnarkosebehandlung, wenn aufgrund phobischer Ängste Spritzen (Lokalanästhesie) nicht ausreicht, um den Angstpatienten zu behandeln. Auch eine rein psychotherapeutische Vorgehensweise erscheint zum Beispiel bei verlagerten Weisheitszähnen nicht sinnvoll. Sind die Weisheitszähne nämlich einmal entfernt, wachsen sie nicht nach. In der Psychotherapie geht es um Bewältigung von zahnmediziischen Behandlungen, die immer wieder notwendig werden, zum Beispiel Zahnsteinentfernung, Füllungen, Parodontalbehandlungen. Hier ist es mit einer einmaligen Behandlung ja nicht getan.
Schon seit Juli 2009 ist eine neue Regelung für gesetzlich versicherte Zahnbehandlungsphobie-Patienten in Kraft getreten. Ist eine Behandlung wegen phobischer Zahnarztangst in lokaler Anästhesie nicht möglich, werden die Kosten für die Vollnarkose von der Krankenkasse übernommen. Leider hat diese Regelung für gesetzlich Versicherte einige Haken. Die Phobie sollte von einem Fachmann bestätigt werden, zum Beispiel einem Facharzt für Psychiatrie oder einem Facharzt für psychotherapeutische Medizin.
In der speziellen Angstsprechstunde kommen Ihre ganz persönlichen Ängste vor der Zahnbehandlung ausführlich zur Sprache. Daraus ergibt sich oft schon in der ersten Sitzung Ihr individuelles Behandlungskonzept. Eine zahnärztliche Untersuchung - nur mit dem Zahnarztspiegel - ohne Sonde findet nur auf Ihren Wunsch statt.