Cybertherapie mit Zahnarztgeräuschen Heilung in der Scheinwelt

In virtuellen Therapien am Computer lernen Angstpatienten, ihre Phobien unter Kontrolle zu halten. Neue Form der Verhaltenstherapie Um Ängste zu besiegen, werden Patienten auf virtuelle Reisen geschickt.

Die Vorteile der virtuellen Reise als Therapie sind vor allem auch ganz pragmatischer Art. Die simulierte Situation lässt sich kontrollieren und wiederholen. Die virtuelle Therapie etwa der Flugangst ist häufig auch billiger als die bisherige Expositionstherapie in der wirklichen Welt. "Eine Fahrt zum Flughafen mit dem Therapeuten oder ein gemeinsamer Flug kosten Zeit und Geld", sagt Psychologie Pauli. "Außerdem funktioniert vieles nach dem Alles-oder-nichts-Prinzip, das heißt, wer extreme Angst hat, der steigt erst gar nicht in ein echtes Flugzeug ein." Der Psychologe vermutet, dass auch der technische und spielerische Aspekt der Therapie viele Leute anspricht: "Wir haben häufig Anfragen von Leuten erhalten, die für eine konventionelle Verhaltenstherapie kaum zu motivieren wären."

Verkabelt sitzt die Patientin in dem Behandlungsstuhl. Auf ihrem Kopf trägt die 58-Jährige einen Helm mit kleinen Bildschirmen vor beiden Augen, die Ohren stecken unter dicken Kopfhörern. Einen Augenblick später glaubt die Frau, mit einem Flugzeug abzuheben.

Der virtuelle Ausflug spielt sich an der Universität Tübingen ab. Dort hat man in mehrjähriger Arbeit ein Gerät gebaut, das eine ungewöhnliche Form der Verhaltenstherapie ermöglicht: Patienten, die unter extremer Flugangst leiden, werden damit auf simulierte Reisen durch die Lüfte geschickt.

Unter dem Datenhelm bietet sich ein verblüffend realistisches Bild des Flugzeuginnern. Mitpassagiere lesen gelangweilt Zeitung, vor dem Fenster huschen beim Start Tower und Flughafengebäude vorbei. Ein Bewegungssensor sorgt dafür, dass man sich im Cyberflieger umsehen kann, weil sich das Blickfeld stets den Bewegungen des Kopfes anpasst.

Auch die Geräuschkulisse klingt echt: Freundlich-gelangweilt referiert die Stewardess über Sitzgurte und Notausgänge, die Triebwerke rauschen, der Flugkapitän meldet sich per Lautsprecherdurchsage. Ein sich bewegender Sitz macht die Illusion perfekt - bis hin zu Turbulenzen, die den Magen traktieren.

So genannte Expositionstherapien, bei denen Angstpatienten gezielt Situationen ausgesetzt werden, die ihnen zu schaffen machen, gibt es schon lange. Ein Verhaltenstherapeut hilft dabei, die Ängste auszuhalten und sie langsam zu verlieren. Doch gerade bei Flugpanik war die Therapie bislang sehr teuer und zeitaufwendig: Therapeut und Patient mussten mehrere Flüge in echten Flugzeugen absolvieren.

Neben der Flugangst behandeln Ärzte und Therapeuten mit der Illusionstechnik mittlerweile auch Menschen, deren Panikattacken durch Spinnen, Tunnel oder Fahrstühle ausgelöst werden.

Zahnarztgeräusche zum Abgewöhnen (der Angst)